INGENIEURSCHULE BERN HTL

Abteilung Elektrotechnik und Elektronik

                               
Semesterarbeit 1995

         
         
Dozent:  F. Dellsperger

 

 

 

 

 

Institut:                                   ISBE Ingenieurschule Bern HTL

                                               Abteilung Elektrotechnik und Elektronik

Student:                                 Simon Eggimann, E91

                                               Eyfuhren, 3437 Rüderswil

Betreuer:                               Hr. F. Dellsperger

Datum:                                   23. November 1995

 


1      Einleitung

 

Um ein Nutzsignal (Daten, Sprache, etc.) über einen Kanal zu übertragen, muss dieses i.A. auf einen Träger moduliert werden, welcher den Eigenschaften des Übertragungskanals angepasst ist. Die benötigte Bandbreite des Übertragungskanals ist dabei je nach Modulationsart in der gleichen Grössenordnung wie die Bandbreite des Nutzsignales. Modulationsarten sind z.B. in [3] ausführlich beschrieben.

Wenn man nun durch zusätzliche Informationen die Bandbreite im Trägerband um ein vielfaches vergrössert als eigentlich zur Übertragung des Nutzsignales notwendig ist, so spricht man von Spreizband-Technik (engl. Spread-Spectrum, SS). Wie man diese zusätzlichen Informationen erzeugt und welche Vorteile sich daraus ergeben, darauf wird in den nächsten Abschnitten eingegangen.

1.1     Spreiztechniken

Es existieren verschiedene Möglichkeiten, die Bandbreite im Trägerband zu vergrössern (das Signal zu spreizen). Diese sind in [1] ausführlich beschrieben. An dieser Stelle gehen wir nur auf das von uns verwendete Verfahren ein, das Direct-Sequence (DS)-System. Dieses Verfahren eignet sich besonders, wenn das Nutzsignal als binärer Datenstrom ansteht.

Mit Hilfe eines Generators wird eine digitale Pseudonoise (PN)-Sequenz erzeugt, deren Taktfrequenz RC um ein vielfaches grösser ist als die Taktfrequenz RD der Nutzdaten. Das Trägersignal wird nun sowohl mit der PN-Sequenz als auch den Nutzdaten moduliert. Da RC um ein vielfaches grösser ist als RD, wird dabei die Bandbreite im Trägerband und somit das Spektrum in erster Linie durch die PN-Sequenz bestimmt. Das Nutzsignal wird sozusagen „versteckt“ in der PN-Sequenz. Abbildung 1 illustriert den Sachverhalt.

 

Abbildung 1 : Direct-Sequence Modulator

Bei dieser Art Modulation spricht man von BPSK (Binary Phase Shift Keying), da durch die digitale Codesequenz die Phase des Trägersignales zwischen 0° und 180° umgetastet wird.

Der Empfänger muss nun das Hochfrequenz (RF)-Signal entspreizen, um die Nutzdaten wieder sichtbar zu machen. Dazu wird die gleiche Codesequenz phasenrichtig zum Empfangssignal gemischt und damit das Signal entspreizt. Abbildung 2 verdeutlicht den Vorgang.

 

Abbildung 2 :Direct-Sequence-Entspreizung

Das eigentliche Problem besteht nun darin, die PN-Sequenz im Empfänger mit derjenigen im Sender zu synchronisieren und diese Synchronisation aufrechtzuerhalten, da nur dann eine erfolgreiche Entspreizung möglich ist. Um dies zu ermöglichen, muss auch die verwendete PN-Sequenz bestimmte Anforderungen erfüllen. Auf diese Aspekte soll an einer späteren Stelle eingegangen werden.


1.2     Eigenschaften eines Spread-Spectrum-Systems

Nachdem nun das grundsätzliche Prinzip der Spreizbandtechnik bekannt ist, erkennt man, dass einiger technischer Aufwand getrieben werden muss, um ein solches System aufzubauen. Es stellt sich natürlich die Frage nach den Eigenschaften und Vorteilen eines solchen Übertragungssystems. Eine zentrale Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das Theorem von C.E. Shannon, welches aussagt, dass die Kanalkapazität eines Übertragungskanals abhängig ist von der Bandbreite des Übertragungskanals und dem Signal/Rausch-Abstand im Übertragungskanal. Oder anders ausgedrückt: Es ist möglich, einen kleinen Signal/Rausch-Abstand des Übertragungskanals mit einer grösseren Kanalbandbreite aufzuwiegen.

Zwei Begriffe sind in diesem Zusammenhang wichtig: Der Prozessgewinn und der Störrand.

 

Der Prozessgewinn Gp eines Systems ist das Verhältnis zwischen Ausgangs- und Eingangs-Rauschabstand dieses Systems. Das Spread-Spectrum-System erzeugt seinen Prozessgewinn durch den Spreiz- und Entspreizvorgang. Formal kann man angenähert sagen:

 

           

Formel 1 : Der Prozessgewinn

            Gp                   Prozessgewinn

            BWRF               Bandbreite im Trägerband

            RD                   Datenrate des Nutzsignales

 

Der Prozessgewinn kann allerdings nicht voll ausgeschöpft werden, da das Spread-Spectrum-System selber Verluste hat und am Ausgang des Systems ein bestimmter Signal/Rausch-Abstand benötigt wird. Diesen Umständen trägt die Definition des Störrandes Mj Rechnung.

 

                    alle Grössen in dB

Formel 2 : Der Störrand

            Mj                    Störrand

            Lsys                  Systemverluste

            (S/N)out           Signal/Rausch-Abstand am Systemausgang

 

Durch den Prozessgewinn ist es möglich, auch in einem stark verrauschten Übertragungskanal Daten sicher zu übertragen. Wichtig z.B. bei Übertragungsstrecken in den Weltraum.

Das Übertragungssystem ist nicht nur gegen Rauschen im Übertragungskanal unempfindlicher, sondern auch gegen einzelne Frequenzen mit grosser Leistung (Störsender), da dessen Spektrum bei der Entspreizung im Empfänger gespreizt wird.

Bei einem Spread-Spectrum-System ist die Leistungsdichte im Trägerband klein, wodurch der Sender schlecht ortbar wird. Dies kann bei militärischen Anwendungen von Vorteil sein. Zudem bleiben für einen Mitlauscher, der den PN-Code nicht kennt, die Nutzdaten verborgen, womit ein gewisser Abhörschutz erreicht wird.

Durch die Vergabe verschiedener PN-Codes ergeben sich weitere interessante Möglichkeiten, da damit eine selektive Adressierung mehrerer Sender/Empfänger auf der gleichen Trägerfrequenz möglich sind.

Durch die Verwendung sehr langer PN-Sequenzen können auch Distanzen bestimmt werden zur Ortung von Objekten. Dabei wird der PN-Code selber eigentlich zum Nutzsignal, dessen bestimmte Eigenschaften ausgenutzt werden. Eine Anwendung, auf die in diesem Bericht nicht näher eingegangen wird.

Schliesslich können mit SS-Systemen auch Interferenzen unterdrückt werden. Wichtig z.B. bei Anwendungen innerhalb von Gebäuden, wo Mehrfachechos auftreten.

 

Selbstverständlich lassen sich nicht alle Vorzüge gleichzeitig optimal verwirklichen. Vielmehr muss für eine bestimmte Anwendung das System und seine Eigenschaften angepasst werden.

 

Wie bereits erwähnt, sind die Anforderungen an das Spread-Spectrum-System je nach Anwendung sehr unterschiedlich. Bei militärischen Anwendungen wird mit hohen Taktfrequenzen RC der PN-Sequenz von einigen MHz ein hoher Prozessgewinn erreicht und durch eine lange PN-Sequenz von einigen tausend Bits einem unerwünschten Mithörer ein möglichst ideales Rauschen vorgetäuscht. Der Aufwand auf der Empfängerseite zur Entspreizung und Synchronisation wird dabei entsprechend gross.

 

Bei der drahtlosen In-House-Datenübertragung hingegen werden Codes verwendet, welche sich einfach ändern lassen. Zudem darf der Aufwand nicht allzu gross sein, der Empfänger sollte möglichst vollständig digital arbeiten und die Zeit zum Synchronisieren möglichst kurz sein. Bei diesen Anwendungen betragen die Taktfrequenzen RC der PN-Sequenz bis etwa 2MHz und die Codelängen bis maximal 1023 Bits.


1.4     Anforderungen an den PN-Code

Der verwendete PN-Code zur Spreizung des Nutzsignales muss ganz bestimmte Eigenschaften besitzen, um für SS-Systeme geeignet zu sein:

 

Die Autokorrelationsfunktion AKF über die ganze Codelänge muss ein eindeutiges Maximum bei der Verschiebung Null aufweisen. D.h. man muss eindeutig entscheiden können, ob zwei identische Codes zueinander verschoben sind oder nicht.

 

Die Codefolge soll möglichst „zufällig“ erscheinen.

1.4.1     Maximal lineare Codes

Die sogenannt maximal linearen Codes erfüllen diese Anforderungen. Lineare Codes wiederholen sich nach einer bestimmten Anzahl Takte. Sie sind also unabhängig von weiteren Grössen. Jeder Zustand hat immer den gleichen Vorgänger und Nachfolger. Maximal lineare Codes sind wie folgt definiert:

 

Es sind die längsten erzeugbaren Codes, die mit einem gegebenen Schieberegister erzeugt werden können. Bei zwei möglichen Zuständen pro Speicherstufe beträgt die Länge 2n-1, wenn n die Anzahl Speicherstufen des Schieberegisters darstellt.

 

Maximal lineare Codes besitzen folgende Eigenschaften:

 

Die Anzahl der Einsen ist um eins verschieden von der Anzahl der Nullen. Wenn beiden Zuständen mit jeweils umgekehrtem Vorzeichen betragsmässig die gleiche Spannung zugeordnet wird, so wird der Gleichspannungsanteil immer kleiner, je länger der Code ist. Bei der BPSK-Modulation eines Trägers bestimmt dieser Gleichspannungsanteil die Trägerunterdrückung (1000 Bit ergeben 30dB Trägerunterdrückung).

 

Die statistische Verteilung der Einsen und Nullen ist definiert und bleibt immer gleich.

 

Die AKF eines maximal linearen Codes über eine ganze Codelänge beträgt immer -1, ausser die Phasenverschiebung ist kleiner als 1 Takt. Dort ändert die Korrelation linear zwischen den Werten -1 und (2n-1). Das Maximum wird bei der Phasenverschiebung Null erreicht.

 

Die modulo2-Addition (EXOR-Verknüpfung) eines maximal linearen Codes mit seinem phasenverschobenen Abbild ergibt wieder ein phasenverschobenes Abbild des Originals.

 

Jeder mögliche Zustand des n-stufigen Generators ist während einem Takt vorhanden und existiert nur einmal pro Zyklus. Der „alles Null“-Zustand tritt nicht auf und ist verboten.

1.4.2     Korrelationseigenschaften

Die Korrelation sagt aus, wie gut zwei Signale übereinstimmen. Die Autokorrelation vergleicht ein Signal mit einem identischen, aber phasenverschobenen Abbild. Maximal lineare Codes besitzen folgende Autokorrelationsfunktion AKF:

Abbildung 3 : AKF eines maximal linearen Codes

t          Verschiebung der Codes zueinander in Anzahl Takten

 

Diese Eigenschaft ermöglicht es dem Empfänger, seinen PN-Code mit dem des Senders zu synchronisieren, indem er die AKF bildet und den PN-Code solange verschiebt, bis die AKF ein Maximum liefert.

1.4.3     Taktfrequenz

Die Taktfrequenz RC des PN-Codes bestimmt zusammen mit der Taktfrequenz RD der Nutzdaten den Prozessgewinn Gp.

Die Taktfrequenz RC bildet im Spektrum GC des PN-Codes das erste Minimum. Die Umhüllende des Spektrums GC ist die bekannte -Funktion, da der PN-Code aus Rechteckimpulsen mit einer minimalen Breite von 1/RC besteht.

Abbildung 4 : Spektrum des PN-Codes

1.4.4     Codelänge

Die Codelänge wird bestimmt durch die Anzahl Speicherstufen n des Schieberegisters. Sie beträgt bei maximal linearen Codes 2n-1. Der Code ist also periodisch mit der Periodendauer:

 

           

Formel 3 : Periodendauer der Codesequenz

            tC        Periodendauer der ganzen Code-Sequenz

            RC       Taktfrequenz des PN-Codes

            N         Länge des PN-Codes

            n          Anzahl Speicherstufen des Schieberegisters

 

Ein periodisches Signal besitzt ein diskretes Spektrum, wobei der Abstand der Spektrallinien dem Kehrwert der Periodendauer entspricht.

Abbildung 5 : Ausschnitt aus dem Spektrum GC

Je grösser die Codelänge, desto näher rücken die Spektrallinien zueinander und nähern sich einem kontinuierlichen Rauschspektrum an. Allerdings wird es für den Empfänger auch immer schwieriger, auf den Sendercode zu synchronisieren. Lange Codesequenzen haben längere Synchronisationszeiten zur Folge.


2     Lösungsvorschlag

Die Problemlösung soll nicht nur zu einem funktionierenden Gerät führen, sie muss auch noch weitere Kriterien erfüllen:

 

Möglichst handelsübliche Elemente verwenden, um Beschaffungsschwierigkeiten vorzubeugen.

 

Möglichst modularer Schaltungsaufbau, damit einzelne Module getestet werden können und bei Problemen nur ein einzelnes Modul betroffen ist.

 

Als Spreiztechnik wird die Direct-Sequence-Methode verwendet.

Die Empfängerstruktur ist in Abbildung 7 ersichtlich. Die Codesynchronisation erfolgt im Trägerband.

Die Trägerfrequenz fT wird auf 100 MHz festgelegt. Für diesen Frequenzbereich sind problemlos Komponenten erhältlich (Mischer, Filter).

 

Die Wahl des PN-Codes ist von entscheidender Bedeutung und steht in engem Zusammenhang mit den Anforderungen an die Synchronisationseinrichtung und die Eigenschaften des SS-Systems. Als Taktfrequenz RC wird 1 MHz vorgeschlagen. Somit können für den Digitalteil problemlos CMOS-Schaltungen verwendet werden. Bei einer Nutzdatenfrequenz RD von 10 kHz ergibt sich nach Formel 1 ein Prozessgewinn Gp von 100. Als Code verwenden wir einen maximal linearen Code mit einer Länge von 1023 Bit. Dieser lässt sich mit einem 10 Bit-Schieberegister realisieren. Damit wird bei BPSK-Modulation eine Trägerunterdrückung > 30 dB erreicht. Der Codegenerator soll als SSRG aufgebaut werden, um normale Schieberegister verwenden zu können.

 

Da das Nutzsignal digital vorliegt, wird als Modulationsart die Codemodifikation vorgeschlagen.

 

Zum Entspreizen des Signales wird die In-Line-Korrelation eingesetzt, weil sie etwas einfacher ist, als die Heterodyne-Korrelation. Da das Nutzsignal BPSK-moduliert ist, soll zur Demodulation eine Costas-Loop eingesetzt werden.

 

Zur Codeakquisition wird der Sliding-Korrelator vorgeschlagen, da dieser einfach im Aufbau und sehr störsicher ist. Die Periodendauer tC des PN-Codes beträgt gemäss Formel 3 1.023ms. Bei einer Codelänge von 1023 Bit bewegt sich die maximal zu erwartende Suchzeit im Bereich von 1.023ms * 1023 Bit » 1s, ein akzeptabler Wert. Zur Synchronisationsentscheidung kann die Costas-Loop der Demodulation eingesetzt werden. Zur Codenachführung soll ein DLL in Costas-Struktur verwendet werden.

 

Nachfolgend sind die wichtigsten Eckdaten zusammengestellt:

 

Trägerfrequenz                     fT = 100 MHz

Code-Taktfrequenz              RC = 1 MHz

Daten-Taktfrequenz             RD < 10 kHz

Prozessgewinn                     Gp > 100

Codelänge                            1023 Bit

maximale Suchzeit               » 1s

 


2.1     Messungen an der kompletten Schaltung

Sender und Empfänger werden nun gemäss folgenden Schemas aufgebaut.

 

Abbildung 6 : Spread-Spectrum-Sender

 

 

Abbildung 7 : Spread-Spectrum-Empfänger

 


3     Zusammenfassung

Um Daten in einem stark verrauschten Übertragungskanal sicher zu übermitteln, kann die Spreizbandtechnik eingesetzt werden. Dabei wird durch geeignete Codes die Bandbreite im Trägerband um ein vielfaches vergrössert, als eigentlich zum Übertragen des Nutzsignales notwendig ist. Eine Schlüsselstellung im Übertragungssystem nimmt dabei der Empfänger ein, da er sich auf den empfangenen Code synchronisieren muss. Nach dem Erarbeiten des Grundlagenwissens werden die einzelnen Funktionsblöcke des Empfängers systematisch zusammengestellt und Varianten gebildet. Aufgrund dieser Erkenntnisse wird schliesslich ein Lösungsvorschlag ausgearbeitet. Dabei wird Wert auf modulare Bauweise und die Verwendung handelsüblicher Bauelemente gelegt.

Anschliessend werden die einzelnen Funktionsblöcke entwickelt, aufgebaut und ausgemessen. Neue Erkenntnisse werden dabei laufend in die Entwicklung einbezogen. In der Realisierungsphase zeigt sich, dass der Zeitplan nicht eingehalten werden kann, weil der Aufwand für die Hardwareherstellung unterschätzt worden ist. Trotzdem können am Schluss einige Messungen an der kompletten Schaltung gemacht und die Funktionsfähigkeit des Empfängers nachgewiesen werden. Um das Übertragungssystem zu vervollständigen, fehlt nun noch die Demodulation der Nutzdaten.